Interview mit Christine Pehl:
Interview mit Christine Pehl:
Vielleicht kennen Sie den Moment, wenn man in seine neue Wohnung einzieht und zunächst nur die Möbel aufstellt. Es fehlen noch die Bücher, die Bilder, die Blumentöpfe – im Grunde die persönlichen Gegenstände, die sich im Laufe der Zeit so anhäufen. Es ist alles noch herrlich aufgeräumt, es ist noch Platz da – der im Laufe der Zeit den alltäglichen Dingen weichen muss. Betritt man die Wohnung von Christine Pehl erlebt man dieses Gefühl, des gerade Frisch-Eingezogen-Seins. Business Coach und CSR-Expertin Christine Pehl lebt ihre Philosophie der „heilsamen Reduktion“, die sie auch Unternehmen und Menschen empfiehlt, die ihre Dienste in Anspruch nehmen. Die Idee dahinter: sich auf das Wichtige und Wesentliche konzentrieren – und so Platz für Neues schaffen. Das wollten wir mit eigenen Augen sehen und haben Wohnung und Person näher beleuchtet.
Ein Sofa, ein Tisch, zwei Stühle … So schaut der Wohn- Arbeits- und Essbereich der Augsburgerin aus, die bereits seit dreieinhalb Jahren im Domviertel lebt.
Im Schlafzimmer sucht man vergebens einen Kleiderschrank – und nein, einen begehbaren gibt es auch nicht. Alles was Christine Pehl an Kleidung besitzt, passt in ein Sideboard und auf eine Kleiderstange, die eigentlich als Gästegarderobe gedacht war.
Christine Pehl lebt ihre eigene gewählte Form des Minimalismus, ohne Verzicht, wie sie selbst betont. „Ich wollte mich von Überflüssigem lösen, möglichst wenig haben, das verwaltet werden muss“, so ihre Begründung. Kein Bild hängt an der Wand, es steht keine Pflanze in der Wohnung und auch auf sonstigen „Kruscht“ verzichtet die Augsburgerin gerne. Sich ganz auf das Wesentliche konzentrieren, auf die Arbeit, Begegnungen und die eigene innere Mitte, ist das erklärte Ziel der 44jährigen. Eine innere und äußere Klarheit benötigt Christine Pehl auch bei dem was sie tut. Seit sieben Jahren unterstützt sie als CSR-Expertin Unternehmen, sich nachhaltig aufzustellen und dies zu kommunizieren. Zudem coacht sie Menschen bei der beruflichen und persönlichen Findung.
Ihre Wohnung ist sehr aufgeräumt, fast spartanisch. Ist Ihre Wohnung ein Spiegel Ihrer Seele?
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht aber in der Tat, das könnte sein! Sortiert, auf das Wesentliche konzentriert und mit viel Frei-Raum – das passt auf mich und meine Wohnung (lacht).
Wie kam es dazu, dass Sie so wenig Besitz haben?
Es ist schön, dass Sie das so sagen – ‚wenig Besitz‘. Ich empfinde es anders – es gibt alles was ich brauche und mag. Gelöst habe ich mich von unnötigem Ballast, der sich im Laufe der Zeit so ansammelt. Ich hatte den Wunsch möglichst frei zu leben. In meiner Jugend war ich öfters ein paar Tage im Kloster. Dort, in der Stille und Einfachheit, entstand innere Ruhe und Raum fürs Wesentliche. Vor etwa 10 Jahren fing ich an auszumisten. Glückhaft war, dass mir meine Nachmieterin beim letzten Umzug fast alles abgekauft hat, vom Schrank bis zu den Handtüchern.
Was haben Sie mit persönlichen Gegenständen, wie Fotos Ihres Sohnes oder Urlaubsmitbringseln, gemacht?
Vor meinem Umzug bin ich mit meinem erwachsenen Sohn durch die Wohnung und wir haben alles durchgesehen. Es entstand eine ‚Schatzkiste‘ mit den schönsten Bildern, Fotos und anderen Lieblingsstücken. Das war eine wertvolle Erfahrung – jedes Teil in die Hand zu nehmen und zu prüfen, was bleibt und was geht. So habe ich zum Beispiel drei Vasen meiner verstorbenen Oma weggegeben, eine Engelfigur von ihr hingegen behalten. Dinge loszulassen kann ungemein befreiend sein. Wichtig war mir, die aussortierten Gegenstände sinnvoll zu verschenken, an Bekannte oder karitative Einrichtungen.
Dieser Lebensstil ist nicht einfach übertragbar für Familien, oder?
Es muss nicht jeder wie ich die Klosterzelle als Vorbild haben (lacht).Wenn Sie Zimmerpflanzen lieben, Ihr Bücherregal satt bestückt ist und Ihre fünf Katzen die Wohnung für sich beanspruchen, kann das auch wunderbar sein. Ich glaube, es geht einfach darum, sich zu besinnen, was einem wirklich wichtig ist und das im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten umzusetzen. Für mich war Ausmisten ein Baustein zur inneren Klärung.
Welche Bausteine gab es noch auf dem Weg zur eigenen inneren Ausgeglichenheit?
Im Rahmen meiner Selbständigkeit hat sich ein eigener Lebensrhythmus herauskristallisiert, zu dem Meditation, gesunde Ernährung, Bewegung und ausreichend Schlaf gehören. So gestärkt habe ich Kraft für meine beruflichen Aktivitäten, neue Herausforderungen und menschliche Begegnungen.
Auf Ihre Arbeit möchte ich nun zu sprechen kommen. Sie begleiten Unternehmen, die sich nachhaltig entwickeln und ihre CSR-Aktivitäten kommunizieren möchten. Dabei bringen Sie Ihre Haltung auch in die Unternehmen ein. Wie machen Sie das?
Nun, aus meiner Erfahrung kann nachhaltiges Wirtschaften nur gelingen, wenn eine wertschätzende Unternehmenskultur gelebt wird und jeder Mensch sich mit seinen Talenten einbringen kann. Unternehmen, die über CSR sprechen, geht es meist um Themen wie den ökologischen Fußabdruck, die Einsparung von Ressourcen oder die transparente Darstellung von Lieferketten – alles wichtig. Aber das Entscheidende wird oft vernachlässigt: das Mensch-sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir damit anfangen sollten, wenn wir Nachhaltigkeit leben wollen. Der Mensch ist kein „homo oeconomicus“. Wer Wertschätzung erlebt und lernt mit sich selbst gut umzugehen, wird auch verantwortungsvoll mit seiner Umwelt sein.
Frei nach dem Motto: gehe bewusst mit dir selbst um und du agierst nachhaltiger?
Genau – „wie innen so außen“. Ein Beispiel: Man wacht morgens auf und fühlt sich nicht wohl. Das können Gefühle wie Angst oder Ohnmacht sein. Nun haben viele Menschen nicht gelernt konstruktiv damit umzugehen. Im Gegenteil, wir verdrängen, schauen im wahrsten Sinne fern anstatt nach innen. Häufig entstehen weitere Ablenkungsmanöver, wie exzessiver Sport, ruheloses Arbeiten oder auch die Einnahme von Aufputschmitteln. Wir wissen oftmals nicht, wie wir gut für uns selber sorgen können, unsere inneren Zustände klären und herausfinden was für uns sinnhaft ist. Das zeigt sich auch in der massiven Zunahme psychischer Erkrankungen wie Depression oder Burn-out.
Was raten Sie Führungspersönlichkeiten, die sich seelischen Komponenten annehmen möchten?
Meine Empfehlung ist, externe Unterstützung einzuholen. Auf Führungsebene lässt sich gut mit einem Coach arbeiten. Relevante Themen können beleuchtet werden, wie z.B. die Frage nach den persönlichen Werten und der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns. Finden Führungskräfte hier Klarheit, spüren das auch die Menschen im Umfeld – es überträgt sich. Was vielleicht banal klingt, wird dennoch oft vernachlässigt. In einem nächsten Schritt rate ich Unternehmen, Angebote zur seelischen Gesundheit in Form von Vorträgen oder Workshops allen Mitarbeitern zu ermöglichen. Das eigene Innenleben zu sortieren kann genauso erlernt werden wie gelungene Kundenansprache.
Und in wieweit gehört „Aufgeräumtheit“ dazu? Soll ich mein Büro ausmisten?
Unbedingt! (lacht) Nein, natürlich nicht zwangsläufig, aber es kann ungemein befreiend und ein Auftakt für weitere Klärung sein. Trennen Sie sich von unnötigem Ballast – nicht funktionierende Kugelschreiber oder ausgediente Unterlagen. Schaffen Sie Frei-Raum. Das gilt genauso für das Arbeitsumfeld. Immer wieder nachprüfen welche Aufgaben sind wirklich wichtig und was kann weggelassen oder verändert werden.
Wie reagieren Führungskräfte, wenn Sie auf diese Dinge zu sprechen kommen?
Sehr positiv. Aufatmend. Wir leben in einer komplexen Welt und was zur Klärung, Entlastung und Vereinfachung beiträgt, ist willkommen.
Welche Tipps haben Sie für jemanden, der sich diesem Thema annehmen möchte?
Ich empfehle drei Schritte. Erstens: Gehen Sie jeden Tag in die Stille – haben Sie ein Rendezvous mit sich selbst. Wie fühlt sich Ihr Körper an? Welche Gedanken und Emotionen kommen auf? Es geht um bewusste Wahrnehmung des eigenen Zustands.
Im zweiten Schritt folgt die heilsame Reduktion. Was könnten Sie in Ihrem Leben einfach weglassen? Gerümpel im Keller und Speicher, unsinnige Gewohnheiten oder langes Fernsehen? Ziel ist es, freie Räume zu schaffen. Diese freien Räume können – in einem dritten Schritt – mit neuen Inhalten gefüllt werden, die für Sie persönlich Sinn stiften oder einfach Freude und Genuss bringen.
Was schenkt man einer Frau wie Ihnen zum Geburtstag?
Eine feiste Torte.
Zur Person:
Christine Pehl war viele Jahre CSR-Referentin des Arzneimittelunternehmens betapharm, das in dieser Zeit als Leuchtturm für CSR galt und dafür zahlreiche Awards erhalten hat. Eine prägende Erfahrung war die Geschäftsleitung des elterlichen Maschinenbaubetriebs und die Begleitung der Firmenübergabe an die Mitarbeiter. Seit 2010 selbständig, begleitet sie Organisationen, die sich nachhaltig entwickeln und Ihre CSR-Aktivitäten kommunizieren möchten. Sie ist Dozentin an Hochschulen, leitet Seminare, hält Vorträge und teilt ihre Expertise in Buchbeiträgen, u. a. in der Reihe „CSR und Organisationsentwicklung“ des Springer-Gabler-Verlages. Zudem hat Christine Pehl eine körpertherapeutische Ausbildung und coacht Menschen in Berufs- und Lebensfragen. Website: www.pehl-beratung.de
Das Interview führte Annabell Hummel
Bilder: Regine Laas
Erstveröffentlichung: www.lifeguide-augsburg.de